Antrag / Anfrage / Rede
Statement zur Kundgebung Flüchtlingspoltik
Redebeitrag von Johanna Mühlfeld
1. Im Juni diesen Jahres bin ich im Urlaub auf der griechischen Insel Lesbos von der Flüchtlingssituation überrascht worden. In einer kleinen Stadt mit 2000 Einwohnern kommen dort
täglich hunderte Flüchtlinge über das Meer an. Zusammen mit den Griechen vor Ort habe ich meine Zeit damit verbracht, die Flüchtlinge mit Lebensmittel zu versorgen und sie in das
nächste Camp zu fahren. Ich habe dort viele Gespräche mit Syrern und Afghanen geführt und ihre Fluchtursachen erfahren. Die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Griechen ist überwältigend. Ich habe nicht einen Übergriff auf die riesigen Flüchtlingsströme dort erlebt, ganz im Gegenteil.
2. Wie müssen sich die afghanischen Mitbürger gefühlt haben, als sie überfallen wurden, hier im sicheren Deutschland. Für mich gibt es bei solchen Straftaten keine „Alternative“.
Straftaten dieser Art müssen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln und mit aller Konsequenz verfolgt werden. Ich kann es schlicht nicht nachvollziehen, dass die Täter wieder auf freien
Fuß gesetzt worden sind. Das ist für mich unverständlich. Sicher ist: mit dem aktuellen Thema Flüchtlinge werden in der Bevölkerung Ängste geschürt. Das habe ich bei vielen
Gesprächen in den letzten Wochen erfahren. Ich halte die Aussagen einiger, hochrangigen Politiker daher für sehr gefährlich. Gerade damit geben sie der rechten Szene den
notwendigen Rückhalt gegen ausländische Mitbürger vorzugehen.
Ich verstehe die Ängste, wenn mich Bürger fragen: Wie viel Flüchtlinge werden denn noch kommen? Aber lassen wir uns von dieser Angst nicht lähmen, Angst kann auch beflügeln.
Fakt ist: wir müssen jetzt aktuell schnell handeln:
zum einen bei der Unterbringung und vor allem bei der Integration der Flüchtlinge, die bereits im Landkreis bei uns leben. Ich danke an dieser Stelle allen Ehrenamtlichen, den
Beschäftigten in den Behörden und der Presse, die über vorbildliche Aktionen berichtet. Das ist gut und wichtig!
zum anderen müssen wir aber die Flüchtlingsursachen bekämpfen – ein weiter so ist jetzt nicht mehr möglich:
3. Das Risiko besteht darin, nicht zu erkennen, dass wir mit unserer Wirtschaftspolitik mit zu diesen Flüchtlingsströmen beitragen. Hier ist ein Umdenken erforderlich! Die
globalen Probleme, verursacht durch Entscheidungen in Berlin und Brüssel, kommen jetzt auch in unserem Landkreis an.
Ich fordere die Bundesregierung und die EU-Gremien auf, für eine weit schnellere Behandlung der Asylanträge und für eine ehrliche Analyse der Fluchtursachen zu sorgen und alles in
ihrer Macht stehende zu tun, durch außen- und entwicklungspolitische Maßnahmen die Migrationsdynamik zu entschärfen.
Insbesondere müssen wir:
Unseren Waffenhandel gerade in fragwürdige Länder reduzieren (Deutschland ist der 3.größte Waffenexporteur weltweit )
Wir müssen unsere wirtschaftliche Beziehungen zu den Balkanstaaten, den Ländern im Nahen Osten und in Afrika auf- und ausbauen. Mit TTIP schaden wir diesen Ländern.
Wir müssen die landwirtschaftlichen Dumping-Exporte aus der EU in Entwicklungsländer stoppen, damit einheimische Märkte wieder eine Chance haben.
Und wir brauchen entschiedene und rasche Maßnahmen gegen den weltweiten Klimawandel, der nach Ansicht vieler Fachleute eine
der Hauptursachen heutiger und künftiger Migration ist.
Und ganz konkret brauchen wir eine umgehende Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel für die UN-Flüchtlingslager für Syrer im Nahen Osten.
Wie wichtig diese Aufzählung ist, zeigt auch ein Zitat aus der Rede von Bundesminister Gerd Müller, die er bereits im letzten Jahr in der Katholischen Akademie in München gehalten hat:
„Ich nenne das Stichwort Flüchtlinge. Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen, könnten sich bis zu 200 Millionen Klimaflüchtlinge auf den Weg machen. Im Augenblick gibt es 50 Millionen Flüchtlinge, elf Millionen allein aus dem Irak und Syrien. Wenn wir nicht in diese Länder investieren, in ihre Entwicklung, in Lebensperspektiven, in die Jugend, in Ausbildung, wenn wir nicht neue Partnerschaften und auch wirtschaftliche Kooperationen schaffen, dann werden nicht 200.000 im Jahr nach Deutschland kommen, sondern Millionen sich aufmachen. Wir werden das auch nicht dadurch lösen können, dass wir die Zäune höher ziehen und die Scheinwerfer der Rettungsboote im Meer ausschalten. Nein, wir müssen in Länder wie Irak, Eritrea und Afghanistan investieren.“
Soweit zur Politik.
4. Aber was kann ich selbst tun? Was können Sie tun?
a) Wir müssen immer wieder aufstehen und für unsere Mitbürger, gleich welcher Herkunft einstehen und ihnen hier eine neue Heimat bieten. Das erfordert zuweilen Mut, ich
weiß. Aber bedenken Sie: Anfang des 20. Jahrhunderts wanderten Millionen Europäer in die sog. Neue Welt aus, das sollten wir nicht vergessen.
b) Und dann können wir immer wieder das eigene Handeln überdenken. Muss es das T-Shirt sein - gefertigt unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen?
Oder sollte ich doch zu FairTrade Produkten greifen und mit meinem Einkauf den Menschen in Afrika oder Asien eine Perspektive bieten?
Heute ist der Tag der deutschen Einheit. Wir hatten Glück damals, es hätte auch anders ergehen können.... Dann hätten wir Millionen Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR.
Wir hatten Glück damals, geben wir dieses Glück heute an die Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, weiter.
Johanna Weigl-Mühlfeld, Kreisrätin der ÖDP